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Bewertung von Wertpapieren im Zusammenhang mit Aktionärbindungsverträgen

1 Grundsatz

Die Steuerverwaltung des Kantons Bern nimmt die Bewertung von Wertpapieren des Privatvermögens ohne Kurswert für die Vermögenssteuer nach dem Kreisschreiben Nr. 28 der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK) vom 28.8.2008 vor. Gemäss Randziffer 2, Punkt 4 des Kreisschreibens sind privatrechtliche Verträge wie beispielsweise Aktionärbindungsverträge, welche die Übertragbarkeit der Wertpapiere beeinträchtigen, für die Bewertung unbeachtlich.

2 Ausnahme

Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich eine in einem Aktionärbindungsvertrag enthaltene Regelung zur Wertbestimmung der Aktien so stark auswirken, dass bei realistischer Würdigung der Umstände kein höherer Wert realisiert werden kann. Liegen diese Voraussetzungen vor, berücksichtigt die Steuerverwaltung die vertragliche Regelung zur Wertbestimmung auch bei der Festlegung des Vermögenssteuerwerts der im Vertrag eingebundenen Aktien. Gemäss Praxis der Steuerverwaltung handelt es sich dabei um folgende Voraussetzungen:

  • a) Aus dem Vertrag geht hervor, dass für die Parteien der Erhalt und Fortbestand der Unternehmung im Vordergrund stehen.
  • b) Alle Parteien sind namentlich im Vertrag aufgeführt und dieser ist so ausgestaltet, dass keiner Partei eine Vorzugsstellung zukommt.
  • c) Über 50 % des Aktienkapitals und der Stimmrechte sind im Vertrag gebunden.
  • d) Die Vertragsparteien verfügen je über einen Mindestanteil von 10 % am Kapital.
  • e) Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht kommt keiner Vertragspartei eine beherrschende Stellung zu, was in der Regel bei einem Anteil von 50% oder mehr am Kapital oder der Stimmrechte der Fall ist.
  • f) Die Wertbestimmung der Aktien anhand einer Formel (Formelwert) oder auf andere Weise (z. B. Substanzwert, Nennwert) ist im Vertrag genau beschrieben und die entsprechende Regelung zur Wertbestimmung der Aktien behält für die gesamte Dauer des Vertrages ihre Gültigkeit.
  • g) Die Übertragung der Aktien ist gemäss den Bestimmungen des Vertrages maximal zum Wert gemäss der Regelung zur Wertbestimmung der Aktien möglich. Dasselbe gilt für den Fall des Austritts einer Person aus dem Vertrag infolge Kündigung. Für diesen Fall muss der Vertrag die Übertragung der Aktien der austretenden Person maximal zu diesem Wert an eine verbleibende oder neu eintretende Vertragspartei vorsehen.
  • h) Die mitarbeitenden Aktionäre beziehen marktgerechte Löhne und die Gesellschaft betreibt keine Thesaurierungspolitik, sondern schüttet mittels Dividenden die nichtbetriebsnotwendigen Mittel aus. Werden nichtbetriebsnotwendige Mittel thesauriert, muss der Liquidationsanteil, der den Aktionären im Liquidationsfall zusteht, statutarisch beschränkt sein.
  • i) Werden die gemäss Aktionärbindungsvertrag bewerteten Aktien indirekt über eine Holding gehalten, müssen die Gesellschafter der Holding ebenfalls in einen entsprechenden Aktionärbindungsvertrag eingebunden sein.

Dasselbe gilt auch für die Bewertung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an einer GmbH oder einer Erwerbsgenossenschaft.

Bei der Beurteilung der obenstehenden Voraussetzungen werden Beteiligungsquoten und Stimmrechte von Ehegatten zusammengezählt. Kapitalanteile und Stimmrechte aus nutzniessungsbelasteten Aktien werden dem Nutzniessungsberechtigten zugerechnet.

3 Rulingverfahren

Die Berücksichtigung eines Aktionärbindungsvertrages bei der Bewertung von nichtkotierten Aktien des Privatvermögens setzt eine umfassende Prüfung der Voraussetzungen durch die Steuerverwaltung voraus. Dies ist nicht im Veranlagungsverfahren zu bewerkstelligen, weshalb eine entsprechende, schriftliche Rulinganfrage einzureichen ist.

Die Rulinganfrage muss auf den Namen der Aktionäre mit Wohnsitz im Kanton Bern lauten, die Partei des Aktionärbindungsvertrages sind, und kann beim Koordinator Unternehmensbesteuerung des Geschäftsbereichs Recht und Koordination der Steuerverwaltung eingereicht werden. Der Aktionärbindungsvertrag sowie die Statuten der Gesellschaft sind beizulegen.

In der Rulinganfrage muss im Einzelnen aufgezeigt werden, dass die Voraussetzungen a) bis h) kumulativ und gegebenenfalls auch die Voraussetzung i) gemäss vorstehend Ziffer 2 erfüllt sind und folglich die Aktionäre davon ausgehen müssen, dass sie realistischerweise keinen höheren Wert realisieren können, als es die vertragliche Regelung zur Wertbestimmung vorsieht.

Da ein Ruling zu einem Dauersachverhalt nur solange wirksam sein kann, als die ihm zugrunde liegenden Voraussetzungen erfüllt werden und die Aktionäre überdies zur wahrheitsgemässen Deklaration des Steuerwertes ihrer Aktien in der Steuererklärung verpflichtet sind, muss die schriftliche Rulinganfrage einen Passus enthalten, wonach sich jeder Aktionär, in dessen Namen die Anfrage eingereicht wird, dazu verpflichtet hat, die Steuerverwaltung unverzüglich zu informieren, sobald er Kenntnis davon erhält, dass eine der dem Ruling zugrundeliegenden und unter Ziffer 2 aufgeführten Voraussetzungen a) bis h) oder gegebenenfalls auch die Voraussetzung i) nicht mehr erfüllt ist. Diese Verpflichtung besteht auch nach einem allfälligen Wegzug aus dem Kanton Bern.

4 Veranlagungsverfahren

Sobald ein Ruling gemäss Ziffer 3 durch die Steuerverwaltung bestätigt wurde, wird der Wert gemäss Aktionärbindungsvertrag als Vermögenssteuerwert der Aktien der Aktionäre mit Wohnsitz im Kanton Bern anerkannt. Nachträglich dem Aktionärbindungsvertrag beitretende Aktionäre mit Wohnsitz im Kanton Bern werden in das Ruling einbezogen, sobald die Steuerverwaltung Kenntnis vom Beitritt erhalten hat.

Es obliegt den Aktionären, jeweils auf einem Beiblatt zu ihrer jährlichen Steuererklärung auf das Ruling hinzuweisen und den aktuellen Wert gemäss Aktionärbindungsvertrag ihrer Aktien anzugeben sowie gegebenenfalls dessen Berechnung nachzuweisen. Betreibt die Gesellschaft eine Thesaurierungspolitik und ist der den Aktionären im Liquidationsfall zustehende Liquidationsanteil statutarisch beschränkt (siehe Voraussetzung h in Ziffer 2) so bildet der Liquidationsanteil die Untergrenze für die Festlegung des Steuerwerts der Aktien. Werden die dem Aktionärbindungsvertrag unterstellten Aktien über eine Holdinggesellschaft gehalten, sind diese bei der Ermittlung des Steuerwertes der Anteile an der Holding zum aktuellen Wert gemäss Aktionärbindungsvertrag einzusetzen und die übrigen Aktiven der Holding mit ihrem Verkehrswert zu berücksichtigen.

5 Nachbesteuerung

Zeigt sich durch den Eintritt einer der folgenden Fälle, dass die Bindungswirkung des Aktionärbindungsvertrages doch nicht so stark war, wie im Rulingverfahren durch die Aktionäre geltend gemacht, leitet die Steuerverwaltung ein Verfahren zur Nachbesteuerung im Vermögen der Aktionäre ein:

I. Eine der unter Ziffer 2 aufgeführten Voraussetzungen a) bis h) oder gegebenenfalls auch die Voraussetzung i) fällt weg. 

II. Eine wesentliche Bestimmung des Aktionärbindungsvertrages wird geändert oder aufgehoben, ohne dass der Steuerverwaltung die entsprechenden Anpassungen vorgängig im Rahmen einer abgeänderten Rulinganfrage vorgelegt wurden. 

III. In den Aktionärbindungsvertrag eingebundene Aktien werden zu einem höheren Wert veräussert, als gemäss der Regelung im der Steuerverwaltung vorgelegten Aktionärbindungsvertrag vereinbart wurde.

In den unter Ziffer I und II aufgeführten Fällen wird eine Nachbesteuerung des Vermögens aller Aktionäre vorgenommen, im Fall unter Ziffer III nur des Vermögens des veräussernden Aktionärs. Der Nachbesteuerung werden die Steuerwerte der Aktien dieser Jahre, ermittelt nach dem Kreisschreiben Nr. 28 der SSK vom 28.8.2008, zugrunde gelegt.

6 Kündigung oder Anpassung des Rulings

Zur allfälligen Kündigung oder Anpassung eines Rulings zu einem Dauersachverhalt siehe TaxInfo Verbindliche Auskunft (Steuerruling).

7 Nach bisheriger Praxis abgeschlossene Rulings

Nach bisheriger Praxis abgeschlossene Rulings sind weiterhin gültig, wobei auch auf diese Rulings die Ziffern 4-6 der aktuellen Praxis angewendet werden.

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Fassung vom 25.04.2019

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