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Recht auf Einsicht in eigene Akten

1 Einleitung

Dieser Beitrag regelt das Recht auf Einsicht in eigene Akten (Artikel 157 StG bzw. Art. 114 DBG), das Verfahren und die Zuständigkeiten. Gesuche um Akteneinsicht von Dritten sind nicht Bestandteil dieses Dokuments. Als Akten gelten Aufzeichnungen auf Papier oder in elektronischer Form.

2 Selber eingereichte Akten

Für selber eingereichte Akten (und selber unterschriebene Akten) besteht in hängigen Verfahren ein Einsichtsrecht. In abgeschlossenen Verfahren muss das Gesuch um Akteneinsicht begründet werden (vgl. Ziffer 4).

3 Verwaltungsinterne Akten

Zu den verwaltungsinternen Akten zählen:

  • Entwürfe;
  • Interne Notizen (bspw. interner Austausch);
  • interne Weisungen (TaxInfo Intranet etc.);
  • interne Anweisung;
  • interne Stellungnahmen.

Diese Akten dienen lediglich der verwaltungsinternen Meinungsbildung und sind deshalb nur für den verwaltungsinternen Gebrauch bestimmt.

Für verwaltungsinterne Akten besteht deshalb nie ein Einsichtsrecht.

4 Übrige Akten

Zu den übrigen Akten zählen alle anderen Akten:

  • Vernehmlassungen;
  • Instruktionsschreiben der Behörde an amtlich bestellte Gutachter;
  • Protokolle von Augenscheinen;
  • Feststellungen über die Prüfung von Geschäftsbüchern, auf welche bei der Veranlagung abgestellt wird, dazu gehört auch die Schlussbesprechung (Ziffer 9) des Buchprüfungsprotokolls.
  • Auskünfte, die Private oder Behörden auf Verlangen der Steuerverwaltung erteilt haben;
  • Bescheinigungen, die von bescheinigungs- und meldepflichtigen Personen eingereicht worden sind;
  • Meldungen von Steuerbehörden und anderen Behörden;
  • Einvernahmeprotokolle;
  • Telefonnotizen und Gesprächsnotizen mit Steuerpflichtigen;
  • Fachliche Berichte;
  • Statistiken (anonymisiert);
  • Rechtskräftige Steuerrekursentscheide (anonymisiert).

Die steuerpflichtige Person hat ein Recht auf Einsicht in die übrigen Akten. Das Recht auf Einsicht in die übrigen Akten wird nur in den folgenden vier Fällen verweigert:

  1. Die Ermittlung des Sachverhaltes ist noch nicht abgeschlossen;
  2. Es liegen entgegenstehende öffentliche Interessen vor;
  3. Es liegen entgegenstehende private Interessen vor;
  4. Es wird Einsicht in die eigenen Akten eines bereits rechtskräftigen Verfahrens verlangt, aber eine Begründung (schutzwürdiges Interesse) fehlt.

Öffentliche Interessen, die eine Verweigerung, Beschränkung oder Verschiebung der Akteneinsicht rechtfertigen, können insbesondere im Schutz einer noch laufenden Untersuchung in einem anderen Steuerverfahren bestehen. Entgegenstehende öffentliche Interessen liegen beispielsweise vor bei:

  • laufendem Verfahren betreffend die steuerpflichtige Person (Nachsteuern, Steuerhinterziehung, Steuerbetrug)
  • Inventarverfahren bezüglich Erblasser.

Private Interessen können betroffen sein, wenn die steuerpflichtige Person Einblick in Daten von am Verfahren nicht beteiligten Drittpersonen erhalten könnte. Die Einsichtnahme in vertrauliche Informationen, die Privatpersonen oder andere Behörden der Steuerbehörde zukommen liessen, ist zu verweigern oder zu beschränken, wenn Auskunftspersonen und Informanten vor nachteiligen Folgen zu schützen sind.

Entgegenstehende private Interessen liegen beispielsweise vor bei:

  • Akten von nicht beteiligten Drittpersonen, wie Geschäftspartnern;
  • Geschäfts- oder Einkommensverhältnissen von Dritten;
  • Vergleichsdaten;
  • Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnissen;
  • Denunziationsschreiben (Einblick in eine Denunziation mit Rücksicht auf den Namen des Denunzianten ist zu verweigern);
  • Steuererklärungen von Drittpersonen zur Überprüfung von Alimentenzahlungen;
  • Auskunftsgesuchen der Region an Dritte;
  • Auskünften, die Private auf Verlangen der Steuerverwaltung erteilt haben;
  • Geheimhaltungsinteressen des überlebenden Ehegatten gegenüber den Erben.

Nach rechtskräftiger Erledigung des Veranlagungsverfahrens steht der steuerpflichtigen Person ebenfalls das Recht zu, Einsicht in die eigenen Akten zu nehmen. Die steuerpflichtige Person hat das Akteneinsichtsgesuch mit einem schutzwürdigen Interesse zu begründen 1. An den Nachweis des schutzwürdigen Interesses werden keine hohen Anforderungen gestellt.
Schützenswürdige Interessen liegen beispielsweise vor:

  • Übertrag von Angaben auf die neue Steuererklärung;
  • Prüfung eines Gesuchs um Revision oder Berichtigung einer rechtskräftigen Veranlagung.

1 Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Handkommentar zum DBG, 2. Aufl., Art. 114 DBG N 41 ff.

5 Wer kann Einsicht nehmen?

5.1 Grundsatz

Das Recht auf Einsicht in eigene Akten steht primär der steuerpflichtigen Person zu. Daneben haben aber bestimmte Drittpersonen die gleichen Rechte:

  • der Ehegatte für Steuerakten der Steuerpflichtigen mit gemeinsamer Veranlagung;
  • die Erben und der Willensvollstrecker bzw. amtlicher Erbschaftsverwalter im Todesfall;
  • die übernehmende juristische Person bei Liquidation;
  • die Konkursbehörde bzw. das Betreibungsamt im Konkursfall;
  • die Beistandschaft;
  • der vertragliche Vertreter;
  • die Beteiligten an einem virtuellen Steuersubjekt (Personengesellschaften, Erbengemeinschaften, Miteigentümergemeinschaften, Baugesellschaften und Konsortien).

5.2 Ehegatten und eingetragene Partner

Gemeinsam zu veranlagenden bzw. veranlagten Ehegatten steht ein gegenseitiges und selbstständiges Akteneinsichtsrecht zu. Getrennt lebende und geschiedene Ehegatten haben Akteneinsicht in die Akten der Steuerperioden mit gemeinsamer Steuerpflicht. Für die übrigen Steuerperioden nehmen sie im Steuerverfahren des anderen die Stellung eines Dritten ohne Akteneinsichtsrecht ein.

5.3 Erben/Inventarnotar

Die Steuerpflicht der natürlichen Person endet mit dem Tod. Nach dem Tod einer steuerpflichtigen Person treten die Erben in die Rechte und Pflichten des Erblassers ein. Folglich steht das Akteneinsichtsrecht jedem einzelnen gesetzlichen oder eingesetzten Erben zu. Ein gemeinsames Handeln aller Erben ist nicht erforderlich.

Virtuelle und provisorische Erben haben die Steuernachfolge noch nicht angetreten, weshalb sie über kein Akteneinsichtsrecht verfügen (VGE 100.2018.112/113U vom 6. März 2019, E. 3.2.2). Wer auf das Erbe verzichtet oder die Erbschaft ausgeschlagen hat, kommt nicht als Steuernachfolger in Betracht. In Zweifelsfällen hat sich der Erbe mit einer Erbbescheinigung nach Art. 559 Zivilgesetzbuch (ZGB) auszuweisen. Ebenso fallen Vermächtnisnehmer oder sonst wie vom Erblasser bedachte Personen als Steuernachfolger ausser Betracht. Sie haben kein Recht auf Akteneinsicht.

Den Erben kann die Einsicht in die Steuerakten des Erblassers eingeschränkt oder verweigert werden, soweit dies der Persönlichkeitsschutz (Geheimsphäre) des Erblassers oder seines Ehegatten erfordert. Die Geheimsphäre (Intimsphäre) umfasst diejenigen Lebensvorgänge, die der Kenntnis aller anderen Personen entzogen sein sollen, mit Ausnahme jener Personen, denen eine Tatsache besonders anvertraut worden ist. Dies betrifft z.B. die Krankengeschichte, innerfamiliäre Konflikte, sexuelle Verhaltensweisen, aber auch verborgene körperliche Gebrechen.

  • Während der Dauer des Inventarisationsverfahrens gemäss Art. 209 ff. StG besteht kein Anspruch auf Akteneinsicht (entgegenstehendes öffentliches Interesse). Die amtliche Inventarisation des Nachlassvermögens eines Verstorbenen dient primär als steuerliches Kontrollmittel. Dadurch kann überprüft werden, ob der Erblasser seinen Steuerpflichten nachkam. Folglich soll sich das Steuerinventar nicht nach den Steuerakten ausrichten. Die Akteneinsicht muss auch dem Inventarnotar verweigert werden (vgl. Entscheid der Finanzdirektion vom 14. April 2011, abgedruckt in NStP Nr. 5/6 vom Mai/Juni 2011, Seite 47ff.).

5.4 Willensvollstrecker, amtlicher Erbschaftsverwalter etc.

Der Willensvollstrecker (Art. 517 ZGB), der amtliche Erbschaftsverwalter (Art. 554 ZGB), der amtlich bestellte Erbenvertreter (Art. 602 Abs. 3 ZGB) und der amtliche Erbschaftsliquidator (Art. 595 ZGB) nehmen in hängigen Verfahren des verstorbenen Steuerpflichtigen eine dem gesetzlichen Vertreter ähnliche Stellung ein. Sie sind zur Akteneinsicht berechtigt. Zu beachten ist auch hier, dass während der Dauer des Inventarisationsverfahrens kein Anspruch auf Akteneinsicht besteht.

5.5 Übernehmende juristische Person

Die nach Art. 81 Abs. 4 StG übernehmende juristische Person hat das gleiche Einsichtsrecht, wie die übernommene juristische Person gehabt hätte, denn sie tritt als Nachfolgerin in die Rechtsstellung der Steuerpflichtigen ein.

5.6 Konkursbehörde und Betreibungsamt

Das Konkursamt, die Konkursverwaltung und das Betreibungsamt können die gleichen Einsichtsrechte in Anspruch nehmen wie die konkursite bzw. gepfändete Person (vgl. Art. 222 Abs. 5 bzw. Art. 91 Abs. 5 SchKG).

5.7 Beistandschaft

Erwachsene Steuerpflichtige können unter verschiedenen Arten von Beistandschaften stehen, wobei nicht jedem Beistand die gesetzliche Vertretung in den Steuerangelegenheiten der verbeiständeten Person zukommt.

Eine umfassende Beistandschaft bezieht sich auf alle Angelegenheiten der Personensorge, der Vermögenssorge und des Rechtsverkehrs (Art. 398 ZGB). Der umfassende Beistand wird somit auch in Bezug auf die Steuerangelegenheiten gesetzlicher Vertreter.

Gesetzlicher Vertreter in Bezug auf die Steuerangelegenheiten wird auch der Vertretungsbeistand für die Vermögensverwaltung (Art. 395 ZGB), sofern es für den Beistand für die Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben unabdingbar ist, die Steuerfaktoren des Verbeiständeten zu erhalten. Dabei stützt sich die Steuerverwaltung auf den Aufgabenbereich und die Kompetenz des betreffenden Beistands in der Ernennungsurkunde, die durch die zuständige KESB unterzeichnet ist.

In beiden Fällen steht dem Beistand das Akteneinsichtsrecht im gleichen Umfang zu wie der steuerpflichtigen Person.

5.8 Vertraglicher Vertreter

Dem vertraglichen Vertreter steht das Akteneinsichtsrecht im gleichen Umfang zu wie der steuerpflichtigen Person.

5.9 Beteiligte an einem virtuellen Steuersubjekt

Jeder Beteiligte an einem virtuellen Steuersubjekt hat ein Einsichtsrecht in die Steuerakten des virtuellen Steuersubjekts, jedoch nicht in die Steuerakten der einzelnen Beteiligten.

6 Verfahren und Zuständigkeit der Akteneinsicht

Die steuerpflichtige Person muss ihr Gesuch um Akteneinsicht unter Bekanntgabe ihres Namens und Vornamens sowie der Adresse bei der entsprechenden Region bzw. Abteilung einreichen. Sie muss die ersuchten Steuerunterlagen genau spezifizieren.

Drittpersonen i.S. von Ziffer 5.2 bis 5.9 müssen sich ausweisen können. Meistens erfolgt dies durch eine Ermächtigungsurkunde, eine Vollmacht oder durch Aktenbesitz. Das Recht auf Akteneinsicht besteht darin, dass die steuerpflichtige Person am Sitz der Steuerverwaltung Einsicht nehmen kann. Wird die Zustellung von Fotokopien gewünscht, richtet sich die Gebührenerhebung nach der Gebührenverordnung vom 22. Februar 1995.

7 Verweigerung der Akteneinsicht

Wird einer steuerpflichtigen Person die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert, so darf darauf zu ihrem Nachteil nur abgestellt werden, wenn ihr die Steuerverwaltung von dem für die Sache wesentlichen Inhalt mündlich oder schriftlich Kenntnis und ausserdem Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern und Gegenbeweismittel einzureichen.

Auf Wunsch der steuerpflichtigen Person bestätigt die Behörde die Verweigerung der Akteneinsicht durch eine Verfügung. Für die Erstellung der Verfügung ist der Geschäftsbereich Recht + Koordination zuständig.

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Fassung vom 02.03.2023

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