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Steuerpflicht - Allgemeines (Art. 4 ESchG)

Erläuterung zu Artikel 4 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes (Art. 4 ESchG):

I. Steuerpflicht

Steuerpflichtig bzw. Steuersubjekt ist der Empfänger der unentgeltlichen Zuwendung (Erbe, Vermächtnisnehmer, Beschenkter) und zwar unabhängig von seinem Wohnsitz, Heimatort oder seiner Nationalität. Als Steuersubjekt kommen sowohl natürliche als auch juristische Personen in Frage. Bei Personengesamtheiten ohne Rechtspersönlichkeit (z.B. Erbengemeinschaft, einfache Gesellschaft, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften) sind nicht die Gemeinschaften als solche steuerpflichtig, sondern die an der Gesellschaft beteiligten Personen (vgl. LEUCH/KÄSTLI, Praxiskommentar zum Berner Steuergesetz, Art. 1 bis 125, Muri-Bern, 2006, N 1 zu Art. 12).

Es ist nicht möglich, die im ESchG festgelegte Steuerpflicht abzuändern. Die zivilrechtlich zulässige Bestimmung in einem Testament oder Erbvertrag, wonach die Erbschaftssteuer aus dem Nachlassvermögen zu zahlen ist, vermag an der subjektiven Steuerpflicht nichts zu ändern. Zu beachten ist, dass es sich bei der Erbschaftssteuer um eine persönliche Schuld des Begünstigten handelt, welche nicht in Anwendung von Art. 16 ESchG vom Nachlass in Abzug gebracht werden kann.

1. Erben

Sofern die verstorbene Person nichts anderes verfügt hat (Testament, Erbvertrag), gilt die gesetzliche Erbfolge nach Art. 457 ff. ZGB. Bei unklarer Erbfolge kann die Steuerbehörde eine provisorische Beurteilung der Erbberechtigung vornehmen und gestützt darauf die Erbschaftssteuer mit Revisionsvorbehalt veranlagen. Weicht die tatsächliche Erbfolge von der Beurteilung der Steuerbehörde ab, so ist die rechtskräftige Veranlagungsverfügung mittels Revision zu ändern (gleiches Vorgehen im Kanton Zürich: vgl. RICHNER/FREI, Kommentar zum Zürcher Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, Zürich 1996, N 10 zu § 8).

Verteilen die Erben den Nachlass abweichend von der gesetzlichen, erbvertraglichen oder testamentarischen Erbfolge, ist dies bei der Erbschaftssteuerveranlagung nur zu berücksichtigen, wenn die erbvertragliche oder testamentarische Regelung interpretationsbedürftig ist, die vergleichsweise gewählte Auslegung des Testaments oder Erbvertrags nachvollziehbar ist und durch den Vergleich nicht einzig eine Steuereinsparung bezweckt wird (BGE 105 Ia 54). Durch Prozess festgelegte Abweichungen sind grundsätzlich zu berücksichtigen. Formungültige, schriftliche Willensäusserungen der verstorbenen Person werden von der Steuerbehörde soweit berücksichtigt, als sie von den Erben selbst respektiert werden. Sind die für die mündlichen Willensäusserungen geltenden besonderen Formvorschriften nach Art. 506 bis 508 ZGB nicht eingehalten, kann eine mündliche Willensäusserung nicht berücksichtigt werden. Sind die Erben trotzdem bereit, formungültige, mündliche Willensäusserungen der verstorbenen Person zu vollziehen, ergeben sich steuerrechtlich zwei nacheinander folgende Vermögensübergänge: Erbschaftssteuer für den Anspruch der Erben sowie eine Schenkungssteuer bei der Weitergabe an Dritte (vgl. hierzu MUSTER, Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht, das bernische Gesetz über die Erbschafts- und Schenkungssteuer, Muri b. Bern, 1990, S. 268 ff.).

Frei unter den Begünstigten vereinbarte Abweichungen von der gesetzlichen, erbvertraglichen oder testamentarischen Erbfolge erfüllen in der Regel den Schenkungstatbestand, d.h. die ursprünglich Begünstigten zahlen die Erbschaftssteuer und die endgültig Begünstigten die Schenkungssteuer (NStP 1977 S. 181).

Von den Erben auszurichtende Vermächtnisse können von der erhaltenen Zuwendung in Abzug gebracht werden, wenn sie vom Erblasser in der gesetzlich vorgeschriebenen Form verfügt wurden und die Bedachten auf die Ausrichtung einen Rechtsanspruch haben (Monatsschrift für bernisches Verwaltungsrecht und Notariatswesen (MS) 1931 S. 236).

Zur Vor- und Nacherbschaft vgl. Ausführungen unter Art. 13 ESchG.

2. Vermächtnisnehmer

Durch das Vermächtnis wendet der Erblasser mittels Verfügung von Todes wegen (Testament/Erbvertrag) dem Vermächtnisnehmer einen unentgeltlichen Vermögensvorteil aus dem Nachlass zu, ohne den Vermächtnisnehmer als Erben einzusetzen (vgl. Art. 484 ff. ZGB). Der Vermächtnisnehmer erwirbt beim Tode des Erblassers eine eigene, ein-klagbare obligatorische Forderung auf Erfüllung des Vermächtnisses gegenüber dem oder den mit dem Vermächtnis belasteten Erben (vgl. HUWILER in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch II, Hrsg.: Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Geiser Thomas, Basel 2007, N 1 ff. zu Art. 484). Vermächtnisnehmer sind direkt erbschaftssteuerpflichtig. Erben haften jedoch solidarisch bis zum Betrag ihrer Erbanteile auch für die Steuer auf Vermächtnissen (vgl. Art. 30 ESchG).

Schriftlich festgehaltene Vermächtnisse, die nicht den Formerfordernissen der Verfügungen von Todes wegen entsprechen, sind solange gültig, als sie nicht durch Ungültigkeitsklage angefochten werden (vgl. Art. 519 f. ZGB). Voraussetzung ist, dass mindestens der Ansatz eines Errichtungsaktes, der äussere Schein einer Verfügung von Todes wegen vorhanden ist (TUOR, Berner Kommentar, Band III/1 Art. 457-536 ZGB, Die Erben, 2.Aufl., Bern 1952, N 3 zu Art. 520). Werden solche anfechtbaren Vermächtnisse ausgerichtet und liegt nicht eine offensichtliche Steuerumgehung vor, so werden sie bei dem mit dem Vermächtnis Beschwerten in Abzug gebracht und beim Vermächtnisnehmer mit der Erbschaftssteuer belastet. Mündliche Willensäusserungen des Erblassers sind in der Regel als unverbindlich zu betrachten. Steuerlich können solche mündliche Willensäusserungen nur berücksichtigt werden, wenn sie die Formerfordernisse von Art. 506 ff. ZGB (Nottestament mit schriftlicher Festhaltung durch Zeugen) erfüllen. Erfüllen die Erben aus Pietät lediglich einen unverbindlichen Wunsch des Erblassers und richten einem Dritten eine Zuwendung aus, so stellt dies kein Vermächtnis dar. Die Erben sind ohne Abzug für die Zuwendung an den Dritten steuerpflichtig und der Dritte wird schenkungssteuerpflichtig (Muster, Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht, das bernische Gesetz über die Erbschafts- und Schenkungssteuer, Muri b. Bern, 1990, S. 283).

Wird letztwillig verfügt, dass die auf einem Vermächtnis zu erhebende Steuer durch die Erbschaft zu tragen ist, handelt es sich im Umfang der Erbschaftssteuer, die die durch das Vermächtnis begünstigte Person zu entrichten hätte, um ein zusätzliches Vermächtnis (Steuervermächtnis). Die Erbschaftssteuer ist gesamthaft auf dem ursprünglichen Vermächtnis und dem Steuervermächtnis nach dem Verwandtschaftsgrad der begünstigten Person durch die Erben zu entrichten (gleiche Regelung im Kanton Thurgau: BEERLI-LOOSER, Die Erbschafts- und Schenkungssteuern im Kanton Thurgau, Bern 1993, S. 97 f.).

Die testamentarisch verfügte Zuwendung an einen Willensvollstrecker ist als Vermächtnis erbschaftssteuerpflichtig, wenn die Zuwendung nicht lediglich ein angemessenes Entgelt für dessen Bemühungen darstellt (Monatsschrift für bernisches Verwaltungsrecht und Notariatswesen (MS) 1944 S. 102).
Vermächtnisse zu Gunsten von Tieren sind als Auflage an die Erben zu betrachten. Die Auflage ist zu bewerten und grundsätzlich zum Abzug zuzulassen. Im Einzelfall ist allerdings zu prüfen, ob die verfügte Summe verhältnismässig ist. Bei einem unverhältnismässig hohen Betrag kann die Differenz zur bewerteten Auflage der mit der Auflage belasteten Person als Vermächtnis aufgerechnet werden. Hat der Erblasser Vermächtnisse verfügt, die den Wert des Nettonachlasses übersteigen, muss abgeklärt werden, in welchem Umfang die Vermächtnisse tatsächlich ausgerichtet werden. Die Erbschaftssteuer ist nur auf den effektiv zugewiesenen Vermächtnissen zu entrichten.
Zum Vor- und Nachvermächtnis vgl. Ausführungen unter Art. 13 ESchG.

3. Beschenkte

Der Empfänger einer Schenkung (unentgeltliche Zuwendung) ist steuerpflichtig und damit Steuersubjekt. Zur Mithaftung des Schenkers und zur Schenkung im Allgemeinen vgl. die Ausführungen unter Art. 8 und Art. 30 ESchG.
Wie beim Steuervermächtnis ist der theoretische Schenkungssteuerbetrag zur eigentlichen Schenkung zur Steuerberechnung hinzuzurechnen, wenn der Schenker sich zur Bezahlung der Schenkungssteuer verpflichtet.

II. Steuernachfolge

Die Steuerpflicht eines Steuerpflichtigen endet mit dessen Tod. Seine Erben treten in seine Rechte und Pflichten ein und werden dadurch zu seinen Steuernachfolgern (Steuersukzession). Sie haften solidarisch für die vom Verstorbenen geschuldete Steuer im Umfang ihres Erbteils inkl. Vorempfänge mit ihrem eigenen Vermögen (Zahlungssukzession). Die Erben des verstorbenen Steuerpflichtigen übernehmen zudem die verfahrensrechtliche Stellung (Verfahrenssukzession) des verstorbenen Steuerpflichtigen (LEUCH/KÄSTLI, a.a.O., N 1 ff. zu Art. 14). Das Verfahren wird mit den neuen Parteien in dem Stadium weitergeführt, in dem es zum Zeitpunkt des Todes des Steuerpflichtigen war. Gültige Eröffnungen von Verfügungen sind aber nur noch an die Steuernachfolger möglich.

Ist der überlebende Ehegatte Erbe des verstorbenen Steuerpflichtigen, haftet er mit seinem Erbanteil sowie mit dem Betrag, den er aufgrund ehelichen Güterrechts vom Vorschlag oder Gesamtgut über den gesetzlichen Anteil nach schweizerischem Recht hinaus erhält. Der gesetzliche Anteil beträgt bei der Gütergemeinschaft Art. 241 ZGB sowie bei der Errungenschaftsbeteiligung Art. 215 ZGB die Hälfte des Vorschlags (LEUCH/KÄSTLI, a.a.O., N 5 zu Art. 14). Der überlebende eingetragene Partner haftet mit seinem Erbteil und dem Betrag, den er auf Grund einer vermögensrechtlichen Regelung im Sinne von Art. 25 Abs. 1 Part G erhalten hat.
Zu beachten ist, dass neben den Erben auch die Erbschaftsverwalter und die Willensvollstrecker solidarisch für die Steuer des verstorbenen Steuerpflichtigen haften können (LEUCH/KÄSTLI, a.a.O., N 6 zu Art. 14).

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Fassung vom 02.03.2023

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