Erläuterung zu Artikel 6 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes (Art. 6 EschG):
I. Steuerbefreiung nach Art. 83 StG
Für die Befreiung von der Erbschafts- und Schenkungssteuerpflicht verweist Art. 6 ESchG auf Art. 83 StG. Art. 83 StG wird durch die Verordnung über die Steuerbefreiung juristischer Personen (SBV, BSG 661.261) ergänzt. Gemäss Art 83 StG sind folgende öffentlich-rechtlichen und privat-rechtlichen Personen steuerbefreit:
a) Im Bundesrecht wird die Steuerbefreiung des Bundes und seiner Anstalten im Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG) geregelt. Gemäss Art. 62e RVOG sind die Eidgenossenschaft sowie ihre Anstalten, Betriebe und unselbständigen Stiftungen von jeder Besteuerung durch die Kantone und Gemeinden befreit; ausgenommen sind Liegenschaften, die nicht unmittelbar öffentlichen Zwecken dienen. Bestimmungen in der Spezialgesetzgebung des Bundes gehen dem RVOG vor. So richtet sich die Steuerbefreiung der
- SBB nach dem Bundesgesetz über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG, SR 742.31),
- SUVA nach dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG, SR 832.20),
- Schweizerischen Nationalbank nach dem Nationalbankengesetz (NBG, SR 951.11).
Die Steuerbefreiung der Post richtet sich nach RVOG, aber nur hinsichtlich des Monopolbereichs. Geschäftszweige, in denen die Post im Wettbewerb mit Dritten steht, sind nicht steuerbefreit (LEUCH/KÄSTLI, Praxiskommentar zum Berner Steuergesetz, Art. 1 bis 125, Muri-Bern, 2006, N 10 zu Art. 83).
b) Der Kanton Bern, seine Anstalten sowie die Gebäudeversicherung des Kantons Bern sind von der subjektiven Erbschafts- und Schenkungssteuerpflicht ausgenommen. Nach privatem Recht konstituierte Personen wie die BKW, die BEKB sowie die BEDAG-Informatik sind trotz Mehrheitsbeteiligung des Kantons nicht steuerbefreit (LEUCH/KÄSTLI, a.a.O., N 12 f. zu Art. 83).
c) Von der Erbschafts- und Schenkungssteuerpflicht ausgenommen sind die bernischen Einwohnergemeinden, die gemischten Gemeinden, die Unterabteilungen von Gemeinden (sofern ihnen öffentliche Aufgaben übertragen worden sind, z.B. Schulgemeinden) sowie die Gemeindeverbände (aus zwei oder mehr Gemeinden bestehende öffentlich-rechtliche Körperschaften zur Erfüllung von Gemeinde- oder Regionalaufgaben, z.B. Betrieb von Spitälern oder Anstalten). Die Steuerbefreiung nach Art. 83 lit. c gilt nicht für privatrechtlich organisierte Gemeindeverbände und Gemeindeverbindungen, allerdings können diese oft aufgrund von lit. g steuerbefreit werden (LEUCH/KÄSTLI, a.a.O., N 14 ff. zu Art. 83). Werden die Gemeinden etc. privatrechtlich tätig, sind sie diesbezüglich nicht steuerbefreit.
d) Befreit von der Erbschafts- und Schenkungssteuerpflicht sind die Landeskirchen (evangelisch-reformierte, römisch-katholische und christkatholische), die Kirchgemeinden sowie die jüdischen Gemeinden für unentgeltliche Zuwendungen, die unmittelbar der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Kirchen dienen. Andere Religionsgemeinschaften sind nicht nach Art. 83 lit. d steuerbefreit, können aber, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, nach lit. i steuerbefreit werden (LEUCH/KÄSTLI, a.a.O., N 17 ff. zu Art. 83).
e) Die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge von Arbeitgebern mit Wohnsitz, Sitz oder Betriebsstätte in der Schweiz und von ihnen nahe stehenden Unternehmen, sind von der Erbschafts- und Schenkungssteuerpflicht befreit, sofern die Mittel der Einrichtung dauernd und ausschliesslich der Personalvorsorge dienen. Kumulative Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung sind (LEUCH/KÄSTLI, a.a.O., N 22 ff. zu Art. 83; vgl. auch Art. 80 ff. BVG), dass
- die Vorsorgeeinrichtung dauernd und ausschliesslich den Zweck der beruflichen Vorsorge verfolgt. Eine unternehmerische Tätigkeit ist ihr untersagt. Sowohl Ertrag als auch das Stiftungsvermögen selbst müssen unwiderruflich der Personalvorsorge gewidmet sein.
- die berufliche Vorsorge nach den Grundsätzen der Kollektivität und der Gleichbehandlung erfolgt, d.h. sämtliche Arbeitnehmer eines Unternehmens in die berufliche Vorsorge mit einbezogen sind und die Aktionärdirektoren im Vergleich zum übrigen versicherten Personal nicht besser gestellt werden.
- die berufliche Vorsorge nach schematischen im Voraus festgelegten Kriterien (planmässig) erfolgt.
- die Vorsorgeeinrichtung für eine angemessene berufliche Vorsorge ihrer angeschlossen Arbeitnehmer sorgt.
- die Vorsorgeeinrichtung eine Beziehung zur Schweiz hat.
f) Von der Erbschafts- und Schenkungssteuerpflicht befreit sind die inländischen Sozialversicherungs- und Ausgleichskassen, insbesondere Arbeitslosen-, Krankenversicherungs-, Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenversicherungskassen, mit Ausnahme der konzessionierten Versicherungsgesellschaften, soweit die unentgeltlichen Zuwendungen ausschliesslich der Durchführung der sozialen Krankenversicherung und der Erbringung oder Sicherstellung ihrer Leistungen dienen (vgl. auch Art. 80 ATSG; LEUCH/KÄSTLI, a.a.O., N 29 ff. zu Art. 83).
g) Juristische Personen, die öffentliche oder gemeinnützige Zwecke verfolgen, können von der Erbschafts- und Schenkungssteuerpflicht befreit werden, wenn die unentgeltlichen Zuwendungen ausschliesslich und unwiderruflich diesen Zwecken gewidmet sind. Gemeinnützigkeit liegt nur vor, wenn die Leistungen der juristischen Person im Interesse der Allgemeinheit liegen. Das Allgemeininteresse definiert sich nach der massgebenden Volksauffassung und kann in der Regel nur dann angenommen werden, wenn der Kreis der Destinatäre und Begünstigten grundsätzlich offen ist. Gemeinnützigkeit bedeutet weiter, dass die juristische Person keine Eigeninteressen verfolgt, d.h. dass die juristische Person für das Allgemeininteresse völlig uneigennützig Oper erbringen muss. Juristische Personen, die Wirtschaftlichkeit, Erwerb und Gewinnerzielung anstreben, können in der Regel nicht steuerbefreit werden (LEUCH/KÄSTLI, a.a.O., N 36 ff. zu Art. 83). Ein öffentlicher Zweck im Sinne von Art. 83 Abs. 1 lit. g liegt vor, wenn der juristischen Person durch einen öffentlich-rechtlichen Akt die Erfüllung von öffentlichen Aufgaben übertragen worden ist (LEUCH/KÄSTLI, a.a.O., N 43 f. zu Art. 83). Weitere Informationen zur Steuerbefreiung von juristischen Personen finden sich im Kreisschreiben Nr. 12 der Steuerperiode 1995/1996 "Steuerbefreiung juristischer Personen, die öffentliche oder gemeinnützige Zwecke oder Kultuszwecke verfolgen; Abzugsfähigkeit von Zuwendungen" der EStV.
h) Bernische Burgergemeinden und burgerliche Korporationen sind von der Erbschafts- und Schenkungssteuerpflicht befreit, soweit sie das aus Erbfall oder Schenkung angefallene Vermögen der Armenpflege widmen oder damit Kanton oder Gemeinden bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben unmittelbar unterstützen. Wenn die verstorbene Person diese Zweckbestimmung nicht ausdrücklich verfügt hat, muss die begünstigte Burgergemeinde oder burgerliche Korporation nachweisen, dass sie ein Armengut führt bzw. für welche öffentlichen Aufgaben die Zuwendung verwendet werden soll (vgl. MUSTER, Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht, das bernische Gesetz über die Erbschafts- und Schenkungssteuer, Muri b. Bern, 1990, S. 192).
i) Juristische Personen, die kantonal oder gesamtschweizerisch Kultuszwecke verfolgen, können von der Erbschafts- und Schenkungssteuerpflicht befreit werden, sofern sie ein gemeinsames Glaubensbekenntnis in Lehre und Gottesdienst pflegen und fördern (z.B. Herausgabe von Schriften, sofern sie sich auf die Glaubenserneuerung und -förderung beziehen und nicht Erwerbszwecken dienen (LEUCH/KÄSTLI, a.a.O., N 47 zu Art. 83). Die Steuerbefreiung erstreckt nur sich auf Zuwendungen, die ausschliesslich und unwiderruflich diesen Zwecken gewidmet werden. Kultusähnliche Körperschaften, die wirtschaftliche, weltanschauliche, philosophische oder ideelle Aufgaben auf religiöser Grundlage erfüllen können zwar nicht nach Art. 83 Abs. 1 lit. i StG steuerbefreit werden, aber eventuell nach Art. 83 Abs. 1 lit. g StG, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.
k) Ausländische Staaten für ihre ausschliesslich dem unmittelbaren Gebrauch der diplomatischen und konsularischen Vertretungen bestimmten Liegenschaften von der Erbschafts- und Schenkungssteuerpflicht befreit werden.
l) Von der Erbschafts- und Schenkungssteuerpflicht befreit sind die konzessionierten Verkehrsunternehmen, die von verkehrspolitischer Bedeutung sind und im Steuerjahr keinen Reingewinn erzielt oder im Steuerjahr und den zwei vorangegangenen Jahren keine Dividenden oder ähnliche Gewinnanteile ausgerichtet haben.
m) Die politischen Parteien, die im Kanton Bern oder in bernischen Gemeinden tätig sind, sind von der Erbschafts- und Schenkungssteuerpflicht befreit.
n) Von der Erbschafts- und Schenkungssteuerpflicht befreit sind schliesslich die kollektiven Kapitalanlagen mit direktem Grundbesitz, sofern deren Anleger ausschliesslich steuerbefreite Einrichtungen der beruflichen Vorsorge nach Art. 83 Abs. 1 lit. e StG oder steuerbefreite inländische Sozialversicherungs- und Ausgleichskassen nach Art. 83 Abs. 1 lit. f StG.
II. Steuerbefreiung von ausserkantonalen Institutionen
Institutionen mit Sitz in einem anderen Kanton wird die Steuerbefreiung gewährt, wenn sie im Sitzkanton steuerbefreit sind. Institutionen mit Sitz im Ausland müssen den Nachweis erbringen, dass sie die Voraussetzungen nach Art. 83 StG erfüllen. Eine allfällige Steuerbefreiung im Ausland gilt als Indiz hierfür.
____________________
Fassung vom 08.01.2018