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Vorerbschaft und Vorvermächtnis (Art. 13 ESchG)

Erläuterung zu Artikel 13 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes (Art. 13 EschG):

I. System Vorerbschaft - Nacherbschaft

Gemäss BGE 123 I 264 regelt die sog. Nacherbeneinsetzung zwei aufeinanderfolgende Erbgänge in der Weise, dass der Vorerbe durch Verfügung des Erblassers verpflichtet wird, die Erbschaft zu einem späteren Zeitpunkt (meist beim Tod des Vorerben, Art. 489 Abs. 1 ZGB) dem Nacherben auszuliefern. Vorerbe und Nacherbe sind beide unmittelbare Erben desselben Erblassers. Der Nacherbe gilt insbesondere nicht als Erbe des Vorerben. Da der Nacherbe die Erbschaft zivilrechtlich direkt vom Erblasser erwirbt, liegt die Steuerhoheit am letzten Wohnsitz des Erblassers und nicht an demjenigen des Vorerben.

1. Stellung des Vorerben

Hat der Erblasser im Testament oder im Erbvertrag nichts anderes bestimmt, so ist der Vorerbe verpflichtet, die Substanz der Erbschaft zu erhalten. Aus diesem Grunde bestimmt Art. 490 ZGB, dass die Auslieferung der Erbschaft an den Vorerben nur gegen Sicherstellung erfolgt. Das Recht des Vorerben an der Erbschaft beschränkt sich auf die Verwaltung und Bewirtschaftung der Erbschaft, ähnlich der Stellung eines Nutzniessers (vgl. Vogt in: Honsel/Vogt/Geiser, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch II, Basel 1996, N 3 ff. zu Art. 491). Daher bildet die Erbschaft beim Vorerben ein Sondervermögen. Da der Vorerbe das Erbschaftsvermögen erhalten muss und nur die Erträge daraus verbrauchen darf, wird er erbschaftssteuerrechtlich wie ein Nutzniesser behandelt.

Analog der Nutzniessung (vgl. Art. 12 ESchG N 5 ff.) ist der Barwert der Nutzung zu bestimmen und nur dieser kapitalisierte Ertragswert darf beim Vorerben besteuert werden. Fällt die Verpflichtung zur Ausrichtung der Erbschaft an den Nacherben weg (Vorversterben oder Ausschlagung des Nacherben), erwirbt der Vorerbe die Erbschaft endgültig, weshalb nachträglich die ordentliche Erbschaftssteuer zu entrichten ist. Bereits bezahlte Erbschaftssteuern sind zinslos anzurechnen (Art. 13 Abs. 2 ESchG).

Eine sofortige Weitergabe des Vorerbschaftsvermögens an die Nacherben oder Nachvermächtnisnehmer ändert nichts an der Steuerpflicht des Vorerben (Monatsschrift für bernisches Verwaltungsrecht und Notariatswesen (MS) 1931, S. 317).

Hat der Erblasser in seinem Testament den Nacherben auf den Überrest der Erbschaft gesetzt, so kann der Vorerbe die Erbschaft verbrauchen und darüber beliebig verfügen. In diesem Fall erfolgt die Bewertung der Vermögenszuwendung beim Vorerben nach den ordentlichen Grundsätzen (Art. 13 Abs. 3 ESchG).

2. Stellung des Nacherben

Der Nacherbe wird im Zeitpunkt des Vermögensübergangs vom Vorerben auf den Nacherben (Tod des Vorerben oder die freiwillige vorzeitige Auslieferung der Erbschaft an den Nacherben) steuerpflichtig. Er wird nach den ordentlichen Bewertungsgrundsätzen besteuert. Der Nacherbe erwirbt die Erbschaft grundsätzlich von jener Person, die die Vor- und Nacherbeneinsetzung verfügt hat. Der Anspruch auf Besteuerung der Nacherben steht somit dem Wohnsitzkanton der verfügenden Person zu (ASA Bd. 67, S. 665 ff.). Der Steuersatz wird nach dem Verwandtschaftsgrad zwischen Erblasser und Nacherben (und nicht etwa zwischen Vorerben und Nacherben) bestimmt (vgl. Muster, Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht, das bernische Gesetz über die Erbschafts- und Schenkungssteuer, Muri b. Bern, 1990, S. 167).

Steuerobjekt bildet das vom Vorerben auf den Nacherben übergehende Sondervermögen. Dieses Sondervermögen kann seit der Übertragung vom Erblasser an den Vorerben Wertveränderungen unterliegen, insbesondere bei der Nacherbeneinsetzung auf den Überrest. Deshalb ist das Sondervermögen im Zeitpunkt des Erwerbs durch den Nacherben nach dem Marktwert zu bewerten. In den altrechtlichen Fällen (vor 1. Januar 1989) ist die Steuer des Vorerben aufzurechnen, sofern dieser die Steuer dem Sondervermögen belastet hat (vgl. Muster, a.a.O., S.170; MBVR 1943 S. 474 f.; MBVR 1936 S. 138 f.).

Wird eine Vorerbschaft oder ein Teil davon vorzeitig an die bezeichneten Nacherben ausgeliefert, ist der Vermögensübergang sofort zu besteuern und zwar zu jenem Satz, der im Verhältnis der begünstigten Person zur verstorbenen Person gilt. Durch die vorzeitige Auslieferung der Vorerbschaft verzichtet der Vorerbe freiwillig auf die Erträge. Dieser Verzicht auf die Nutzniessung bewirkt eine zusätzliche Besteuerung zwischen dem Vorerben und dem Nacherben im Umfang des Kapitalwertes.

II. Vorvermächtnis

Auf das Vorvermächtnis sind die gleichen Grundsätze wie bei der Vorerbschaft anzuwenden. Ob ein Erbe oder ein Vermächtnisnehmer mit dem Nachvermächtnis belastet ist, spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass der Erblasser zwei aufeinanderfolgende Rechtsnachfolgen angeordnet hat.

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Fassung vom 26.08.2019

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