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Angefangene Arbeiten

1 Begriff

Unter angefangene Arbeiten (oder Fabrikaten bzw. Aufträge in Arbeit) versteht man die am Bilanzstichtag unfertigen körperlichen Gegenstände, die eigentumsrechtlich einem Dritten zustehen sowie begonnene Dienstleistungen. Grundlage dafür bildet in der Regel ein Werkvertrag oder ein Auftragsverhältnis.

Im Gegensatz dazu sind Vorräte Produkte, die auf Vorrat und nicht auf Bestellung angeschafft oder selbst hergestellt werden. Dazu gehören auch Rohmaterialien und alle Hilfsstoffe, die im Produktionsprozess verwendet werden. 

2 Handelsrechtliche Vorschriften

2.1 Ansatz

Nach dem Grundsatz der Bilanzvollständigkeit sind alle aktivierungsfähigen Vermögenswerte aktivierungspflichtig, d.h. sie müssen in der Bilanz aufgeführt werden. Für angefangene Arbeiten besteht eine Aktivierungspflicht.

Aktivierungsfähigkeit im Rechnungslegungsrecht nach OR

2.2 Bewertung

Die Bewertung hat für Gesellschaften mit ordentlicher Buchführungs- und Rechnungslegungspflicht höchstens zu Herstellungskosten zu erfolgen (Art. 960a OR). Für Gesellschaften mit vereinfachter Buchführungspflicht besteht hingegen kein gesetzlich festgelegter Höchstwert. Angefangene Arbeiten können nach Art. 960 Abs. 2 OR höchstens zum Verkehrswert bewertet werden.

3 Steuerrechtliche Vorschriften

3.1 Verhältnis zum Handelsrecht

Gemäss dem Massgeblichkeitsprinzip gilt die Handelsbilanz als Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung. Aufgrund des Periodizitätsprinzips sind im Gegensatz zum Handelsrecht keine beliebigen Tieferbewertungen gestattet. 

3.2 Wertberichtigungen

Wertberichtigungen auf angefangenen Arbeiten sind grundsätzlich nicht zulässig. Zeigt sich im Laufe der Herstellung, dass das Werk oder der Auftrag nicht kostendeckend ausgeführt werden kann, ist der mutmassliche Verlust durch Tieferbewertung oder mit einer Wertberichtigung zu berücksichtigen.

Eine Wertberichtigung analog der privilegierten Warenreserve (bis zu 35%) ist nicht zulässig (Art. 17 Abs. 3 Bst. b AbV / StE 1991 B 72.12 Nr. 5). 

4 Besonderheiten bei Rechtsanwälten und Notaren

Angefangene Arbeiten in Dienstleistungsunternehmen werden im neuen Rechnungslegungsrecht als «nicht fakturierte Dienstleistungen» bezeichnet und sind auf der Aktivseite der Bilanz im Umlaufvermögen aufzuführen (Art. 959a Abs. 1 Ziff. 1 Bst. d OR; HWP, S. 158; Richner/Frei/Kaufmann/ Meuter, N. 24 zu Art. 58 DBG).

Die ausstehenden Klientenguthaben (Debitoren) sind in die Bemessung des Erwerbseinkommens einzubeziehen. Auf diesen Forderungen ist eine pauschale Wertberichtigung (Delkredere) (Art. 16 AbV) zulässig.

Mit den Verbänden der Rechtsanwälte und Notare hat die Steuerverwaltung im Jahr 1979 die heute noch geltende Vereinbarung über die Aktivierung der «nicht fakturierten Dienstleistungen» getroffen. Die in der Vereinbarung festgelegte Praxis sieht drei Möglichkeiten vor, wie die «nicht fakturierten Dienstleistungen» bei der Bemessung des Einkommens berücksichtigt werden können:

  • der Wert der «nicht fakturierten Dienstleistungen» (früher als angefangenen Arbeiten bezeichnet) wird pauschal mit 10 % der geschäftsmässig begründeten Aufwendungen in der Bilanz aktiviert;
  • es werden sämtliche eingenommenen Kostenvorschüsse direkt als Ertrag (und nicht zunächst als Verbindlichkeit) verbucht;
  • das Eigensalär wird im Umfang der am Stichtag bereits geleisteten Bemühungen aktiviert.

Erfolgt die Abgrenzung der nicht fakturierten Dienstleistungen pauschal mit 10% der geschäftsmässig begründeten Aufwendungen, können im Falle einer Liquidation die daraus resultierenden stillen Reserven nicht privilegiert nach den Artikeln 43a StG und Artikel 37b DBG besteuert werden (vgl. BGE 2C_302/2018 vom 9. August 2018).

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Fassung vom 29.03.2021

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