1 Ausgangslage
Die Säule zwei des OECD/G20-Projekts zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft (Mindestbesteuerung) wurde durch den Bund per 2024 mittels Verfassungsbestimmung (Art. 129a und zugehörige Übergangsbestimmungen in Ziffer 15) und darauf gestützter Verordnung über die Mindestbesteuerung grosser Unternehmensgruppen (Mindestbesteuerungsverordnung, MindStV;) umgesetzt. Damit wurde eine neue Steuer des Bundes geschaffen, die sogenannte «Ergänzungssteuer».
Der Rohertrag dieser Ergänzungssteuer verbleibt im Umfang von 75 Prozent den Kantonen, 25 Prozent gehen an den Bund. Die Verfassungsbestimmung sieht vor, dass die Kantone ihre Gemeinden dabei «angemessen berücksichtigen». Wie eine angemessene Berücksichtigung aussieht, können die Kantone selbst bestimmen.
Da die Regelungen des Bundes bereits per 2024 in Kraft getreten sind, wurde die Berücksichtigung der Gemeinden auf kantonaler Ebene in einem ersten Schritt ebenfalls per 1. Januar 2024 mittels Einführungsverordnung gestützt auf Artikel 88 Absatz 3 der Kantonsverfassung (KV; BSG 101.1) geregelt. Diese Verordnung ist bis Ende 2026 befristet und wird dann – gemäss den Vorgaben in Artikel 88 Absatz 3 KV – durch eine Bestimmung im Steuergesetz abgelöst (vgl. Steuergesetzrevision 2027 - TaxInfo - Kanton Bern).
2 Bemessung der Ergänzungssteuer
Die Bemessung der Ergänzungssteuer ist abschliessend auf Bundesebene geregelt (in der Bundesverfassung und der MindStV mit Verweis auf die sogenannten «GLOBE-Mustervorschriften» ). Dabei kommt ein sogenanntes «Länderblending» zur Anwendung: Nur wenn die «massgebenden Steuern» (bspw. und hauptsächlich die Gewinnsteuern) der Geschäftseinheiten in der Schweiz gesamthaft die Mindestbesteuerungsgrenze von 15 Prozent der «massgebenden Gewinne» (Gewinngrösse bemessen gemäss Mustervorschriften) unterschreiten, ist in der Differenz zwischen dem effektiven Steuersatz (= massgebende Steuern geteilt durch massgebende Gewinne) und dem Mindeststeuersatz eine Ergänzungssteuer geschuldet. Der Ergänzungssteuersatz für ein Steuerhoheitsgebiet entspricht also der positiven Differenz zwischen 15 Prozent und dem effektiven Steuersatz.
3 Anteile von Bund und Kantonen
Auch die Anteile des Bundes und der Kantone werden durch die Bundesverfassung festgelegt. Demnach steht der Rohertrag der Ergänzungssteuer zu 75 Prozent den Kantonen zu, denen die Geschäftseinheiten steuerlich zugehörig sind. Die restlichen 25 Prozent stehen dem Bund zu und werden von diesem für die Förderung der Standortattraktivität der Schweiz verwendet.
Bei einer Unterbesteuerung in der Schweiz wird die Ergänzungssteuer den inländischen Geschäftseinheiten und damit den Kantonen in dem Ausmass zugerechnet, in dem diese die Unterbesteuerung mitverursacht haben. Das wird als «Verursacherprinzip» bezeichnet und führt dazu, dass Kantone mit tiefer Steuerlast einen höheren Anteil an der Ergänzungssteuer erhalten als solche mit hoher Steuerlast. Bis und mit der Berechnung der Anteile der Kantone wird die Veranlagung im «OMTax» vorgenommen, der gemeinsamen Weblösung der Kantone für die Erhebung der Ergänzungssteuer.
4 Verteilung auf die bernischen Gemeinwesen
Wie und in welchem Umfang die verschiedenen Gemeinwesen innerhalb des Kantons an der Ergänzungssteuer partizipieren, ist Sache der Kantone und wird ausserhalb von «OMTax» umgesetzt. Im Kanton Bern wurde eine Lösung gewählt, welche sich an der Verteilung der ordentlichen Gewinnsteuern orientiert.
4.1 Vertikale Verteilung im Kanton Bern
Die Anteile der Gemeinwesen Kanton, Einwohner- und Kirchgemeinden entsprechen dem Anteil der betroffenen Gemeinwesen an den gesamtkantonalen Gewinnsteuereinnahmen (Berechnung analog Erhöhter Bundessteueranteil der Gemeinden - TaxInfo - Kanton Bern). Der Kantonsanteil wird dadurch aktuell wie folgt verteilt:
Kanton | 62 Prozent |
Einwohnergemeinden | 33 Prozent |
Kirchgemeinden | 5 Prozent |
Nicht verteilt und deshalb beim Kanton verbleibend ist dessen Aufwandentschädigung, falls er der veranlagende Kanton in der Schweiz ist. Die veranlagenden Kantone können pro Veranlagungsverfügung eine Entschädigung von 2 Prozent des kantonalen Anteils am Rohertrag der Ergänzungssteuer einbehalten, höchstens jedoch 100 000 Franken.
4.2 Verteilung auf mehrere Einwohnergemeinden (horizontale Verteilung)
Sind mehrere Geschäftseinheiten (von der Ergänzungssteuer betroffene Unternehmen oder Unternehmensteile) in unterschiedlichen Einwohnergemeinden betroffen, wird auch der Kantonsanteil entsprechend auf mehrere Einwohnergemeinden verteilt. Für den Anteil der Einwohnergemeinden wird auf den «massgebenden Gewinn» gemäss dem sogenannten «GLOBE Information Return» (GIR) abgestellt. Diese Kennzahl müssen die betroffenen Unternehmen ohnehin im Rahmen der Steuererklärung im System «OMTax» angeben.
4.3 Verteilung auf die Kirchgemeinden
Berücksichtigt werden auch die Kirchgemeinden der betroffenen Einwohnergemeinden, und zwar im gleichen Verhältnis wie bei der Gewinnsteuer. Der Anteil der Kirchgemeinden bemisst sich nach der Zahl ihrer Konfessionsangehörigen in der Sitzgemeinde im Verhältnis zur Zahl der Konfessionsangehörigen aller anspruchsberechtigten Kirchgemeinden (gemäss Art. 19 Abs. 2 des Kirchensteuergesetzes, KStG;
BSG 415.0).
4.4 Beispiele
In der angehängten Präsentation werden drei fiktive Beispiele zur Veranschaulichung aufgeführt. Die Beispiele beinhalten jeweils auch unrealistische Annahmen (bspw. massgebende Steuerbelastung von 0%) und die Herleitung von komplexen Grössen in der Berechnung (bspw. «Übergewinn») wird ausgeblendet, damit der Fokus auf dem Verteilmechanismus bleibt.
5 Abrechnung und Ablieferung der Anteile
Die MindStV sieht vor, dass mit dem Bund und allen betroffenen Kantonen über die in Rechnung gestellten Ergänzungssteuern bis zum Ende des folgenden Monats abzurechnen ist – sprich die vorgesehene Verteilung ist im OMTax ersichtlich. Effektiv bezahlte Steuern sind bis zum Ende des folgenden Monats dem Bund «abzuliefern» (zu überweisen). Mit Anteilen von anderen Kantonen wird die Ablieferung analog gehandhabt.
Die Anteile der Gemeinden und Kirchgemeinden werden dagegen nicht fortlaufend, sondern gesammelt mindestens einmal jährlich aufgrund der rechtskräftig festgesetzten und eingegangenen Ergänzungssteuerbeträge überwiesen («abgeliefert»). Die Gemeinden werden entsprechend informiert. Damit werden aufwendige Rückforderungen von Frankenbeträgen verhindert.
Fassung Mar 11, 2025